Zugübung

„Dichter qualm drängt aus dem Heizungsraum der Sporthalle“, „zwei Schüler werden noch vermisst“, „ein Dachdecker hat einen Herzinfakt auf dem Dach erlitten“…

Zum Glück nur eine Übung! So sollte sich laut Übungsplan die vorgefundene Lage der Zugübung vom Löschzug 1 der Freiwilligen Feuerwehr Werne darstellen.

Am heutigen Samstagmorgen trafen sich um 9 Uhr die Mitglieder des Löschzugs 1 der Freiwilligen Feuerwehr Werne um eine Einsatzübung durchzuführen. Der Ort und das ausgearbeitet Szenario war bis dahin noch ein gut gehütetes Geheimnis.

Laut fiktiver Lage hatte ein Anrufer der Rettungsleitstelle aufsteigenden Rauch bei der Sporthalle am Freiherr-vom-Stein-Berufskolleg gemeldet und ebenso erwähnt, dass er Dachdecker auf dem Dach der Turnhalle gesehen habe.

Die Meldung seitens der Leitstelle an die Einsatzkräfte lautete also „Brennt Dach nach Dachdeckerarbeiten am Becklohhof“. Mit diesem Alarmstichwort setzte sich der Löschzug 1 der Freiwilligen Feuerwehr Werne in Bewegung.

Die vorgefundene Lage hielt für die ehrenamtlichen Kräfte, wie im richtigen Leben im Übrigen auch, noch eine Überraschung parat: Es quillt Rauch aus dem Fenster des Heizungsraums! Ein Lehrer informierte den zuerst eintreffenden Einsatzleiter darüber, dass sich noch zwei seiner Schüler in der Turnhalle aufhalten würden. Ebenso war eine bewusstlose Person auf dem Flachdach der Turnhalle zu erkennen.

Der Einsatzleiter gab den Befehl zur Menschenrettung. Zwei Trupps drangen unter schwerem Atemschutz in die Turnhalle ein, um die vermissten Schüler zu suchen. Zusätzlich zu dem schweren Gerät, sind die Kameraden noch durch eine blickdichte Folie auf dem Visier der Atemschutzmaske gehandicapt. So gestaltet sich die Personensuche in die Turnhalle ungemein schwerer.

Diese zusätzliche Tücke der Übung hilft den Einsatzkräften unter erschwerten Sichtbedingungen im Realeinsatz ruhig und routiniert zu arbeiten. Spezielle Suchtechniken nach Menschen in Gebäuden, sowie die Wärmebildkamera werden jetzt angewendet, um die vermissten zwei Schüler zu suchen.

Parallel hierzu wird die Drehleiter in Stellung gebracht. Der vermeintlich bewusstlose Dachdecker muss vom Flachdach gerettet werden. Der Angriffstrupp vom Tanklöschfahrzeug bereitet die Patiententrage an der Drehleiter vor. Unter Berücksichtigung der Absturzsicherung wird die 80 Kg schwere Übungspuppe mit der Drehleiter vom Flachdach gerettet. Nachdem der Rettungskorb den Boden erreicht hat, übernimmt der anwesende Werner Rettungsdienst die Betreuung. Da auch mittlerweile die zwei  vermissten Schüler im Gebäude gefunden und gerettet werden konnten, konzentriert sich der Einsatzleiter nun auf die Brandbekämpfung.

Hierfür wird das neu am Standort vorhandene Vorauslöschfahrzeug (VLF) mit dem Kaltscheideverfahren Cobra eingesetzt. Auf diesem Fahrzeug ist ein Wasserstrahlschneidgerät verbaut, dass es ermöglicht, den Brand von außen zu bekämpfen.

Diese Technik wird bereits seit geraumer Zeit erfolgreich in Schweden und diversen anderen Europäischen Ländern eingesetzt. Das Ministerium für Inneres und Kommunales des Landes Nordrhein-Westfalen (MIK NRW) sowie der Verband der Feuerwehren Nordrhein-Westfalen (VdF NW) entwickelten und beschafften im Rahmen des Ehrenamtprojektes FeuerwEHRensache dieses Fahrzeug. Nach einem umfangreichen Bewerbungsverfahren erging der Zuschlag für einen ausführlichen Systemtest an fünf NRW-Feuerwehren. Die Feuerwehren Werne (Löschzug Stadtmitte) und Bergkamen (Löschzug Rünthe) wurde ausgewählt, um das Fahrzeug bis zum 26.10.2016 zu testen. Einsatztechnisch wird dieses Fahrzeug im Rendezvousverfahren mit Kräften aus Werne und Bergkamen kreisweit sowie überörtlich auf Anfrage eingesetzt.

Technisch funktioniert das System so, dass mit über 280 bar Druck  Wasser in Verbindung mit einem Abrasiv aus Eisensilikat und Eisenoxid ein Loch in die Wand geschnitten wird. Sobald das Schneidmedium die Wand durchtrennt hat, reicht das wenige Millimeter große Loch aus, um dadurch nur noch Wasser in den Brandraum zu geben. Dieses, durch den hohen Druck fein zerstäubte Wasser, bindet enorme Energie aus dem Feuer und kühlt den Raum binnen weniger Minuten von 600° C auf ca. 100° C ab. Danach muss zwar noch ein Trupp vorgehen um die letzten Brandnester zu löschen, jedoch muss dieser sich nicht mehr - wie bisher - der Gefahr von Rauchgasdurchzündungen und hohen Temperaturen aussetzen.

Da im Falle dieser Übung die alte Turnhalle des Freiherr-vom-Stein-Berufskollegs einer neuen und größeren Turnhalle weicht, konnte an diesem Übungsobjekt das Kaltschneidverfahren zur Übung durchgeführt werden. Ein Trupp schnitt von außen ein Loch durch die Wand und gab Wasser ins Innere des Gebäudes.

Als um 10 Uhr „Feuer aus“ gemeldet werden konnte, war die Übung beendet. Die Einsatzleitung sowie die Organisatoren waren mit dem Verlauf der Übung äußerst zufrieden.

Im Anschluss dieser Übung wurden an verschiedenen Stellen des Gebäudes noch spezielle Workshops angeboten. Unter anderem wurde die Türöffnung geprobt. Die speziell ausgebildeten Kameraden in der Absturzsicherung übten den Umgang mit der Drehleiter und dem Absturzsicherungssatzes.

Erstmals wurde in der Feuerwehr Werne auch ein Flugroboter eingesetzt, um die Lage zu erkunden. Thomas Kuch unterstütze den Einsatzleiter mit seiner speziell ausgestatteten Drohne, die mit einer RGB- und einer Thermografie-Kamera ausgerüstet ist. Neben einem Videobild war es dadurch möglich, auch Wärmebilder etwa von Personen auf dem Dach zu erfassen. Mit dem „Vogelblick“ aus der Höhe kann ein Flugroboter Einsatzleitern einen taktischen Vorteil verschaffen.

Ausdrücklich möchten sich die Organisatoren der Übung beim stellvertretenen Schulleiter des Freiherr-vom-Stein_Berufskollegs,  Herrn Jürgen Artmann, sowie beim Bau-Fachbereichsleiter des Kreises Unna, Herrn Detlef Schröder, bedanken. Beide ermöglichten es, trotz der anstehenden Abrissmaßnahmen diese Übung in den engen Zeitplan einzutakten.